Herstellung der Drahtseile - eine Wissenschaft für sich

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28. JUNI 2017

Seil ist nicht gleich Seil, denn jede Seilbahn braucht je nach Typ, Grösse, Länge und geografischer Begebenheit ein spezielles Seil. In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie schon immer über Seile und ihre Herstellung wissen wollten, warum die neue Bahn „3S Bahn“ heisst und was für Seile die Firma FATZER in Romanshorn für die neue Bahn produziert.

Im Gegensatz zur bestehenden Pendelbahn Trockener-Steg – Klein Matterhorn, die sich ohne Wechsel der Fahrbahnseite zwischen den Stationen bewegt, wird die neue 3S Bahn eine Umlaufseilbahn sein, deren Gondeln auf beiden Fahrbahnseiten umlaufend bewegt werden. Bei Umlaufseilbahnen werden die Enden des Zugseils mittels eines Langspleisses zu einer endlosen Schleife verbunden und die Fahrzeuge können entweder fix an das Zugseil geklemmt oder an- und abgekuppelt werden. Die 3S Bahn (Dreiseilumlaufbahn) hat neben einem Zugseil zwei Tragseile, wodurch deutlich grössere Gondeln eingesetzt werden können. Die Tragseile werden in der Bergstation fest verankert und in der Talstation durch Spanngewichte oder elektrische oder hydraulische Spannvorrichtungen gespannt, die über eine in Fahrtrichtung verschiebbare Umlenkscheibe die nötige Seilspannung erzeugen. Eine gleichbleibende Grundspannung der Seile ist aus vielen Gründen unerlässlich: Einerseits muss ein zu grosser Durchhang der Seile vermieden und die Ausdehnung der Seile bei Temperaturerhöhungen kompensiert werden. Andererseits müssen Biege- und Querkraftbeanspruchungen durch die Fahrzeuge vermindert und die nötige Haftreibung auf den antreibenden bzw. bremsenden Seilscheiben gewährleistet werden. 

Als Zug- und Tragseil werden in der Seilbahntechnik Drahtseile verwendet. Der Begriff Drahtseil bezeichnet hier ein geschlagenes Seil, bei dem die Drähte zu Litzen bzw. Kardeelen und diese dann zum Seil verdreht, also geschlagen werden. Das sogenannte Schlagen der Drähte geschieht auf den Verseilmaschinen. Dabei läuft eine gewisse Anzahl von Drähten durch den Verseilkopf (eine Scheibe mit der entsprechenden Anzahl von Löchern) bis zum sogenannten Lager, wobei die Drähte wendelförmig um einen Kerndraht geschlungen werden. Die aus dem Lager auslaufende fertige Drahtlitze wird wiederum auf einer Haspel aufgewunden. Im nächsten Arbeitsgang werden mehrere Litzen von einem weiteren Verseilkopf um eine Einlage herum zum fertigen Seil geschlagen. Die Einlage kann aus Kunstfasern oder einem Polyethylen-Kernstab bestehen, welcher beim Verseilen der Litzen erwärmt wird. Dabei pressen sich die einzelnen Litzen in den weichen Kunststoff und werden durch diesen stabilisiert und gestützt.

Unterschiedliche Seile für unterschiedliche Funktionen
Da Zug- und Tragseile wie oben beschrieben unterschiedliche Ansprüche erfüllen müssen, werden sie auch unterschiedlich hergestellt:
Voll- und halbverschlossene Seile bewähren sich speziell als Tragseile auf Personenseilbahnen, weil die Bahn auf ihrer glatten Oberfläche nicht holpert. Verschlossene Seile haben eine äussere Lage aus Profildrähten, die – ähnlich einem Reissverschluss - ineinandergreifen, sodass das Seil eine glatte Oberfläche aufweist und weitgehend vor dem Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz geschützt ist. Ihre Aussendrähte können ausserdem bei einem Bruch nicht aus dem Seilverband austreten. Vollverschlossene Seile haben zum besseren Schutz bis zu fünf solcher Lagen aus Profildrähten. Da sie jedoch durch ihre homogene Schicht recht starr sind, können diese Seile nicht zu einem Endlosseil gespleisst werden und eignen sich folglich nicht als Zugseil. Tragseile werden ausserdem „getwistet“. Das bedeutet, dass die Profildrähte mit einer Art „Lockenwickler“ auf ihre Schlaglänge vorbereitet werden und dank dem damit reduzierten Energiepotential des vorgeformten Drahtes die Seile äusserst spannungsarm sind. Dies bringt entscheidende Vorteile, z.B. beim Seilzug, der im Fall der neuen 3S-Bahn äusserst komplex ist.

Es gibt vollverschlossene Tragseile mit einem Durchmesser von bis zu 130 mm, einer Mindestbruchkraft von 1460 t und einem Gewicht von knapp 100 kg pro Meter. Vollverschlossene Tragseile können auch mit integrierten Strom- und Lichtwellenleitern ausgerüstet sein, wie z.B. bei 2 der 4 Tragseile der neuen 3S-Bahn zum Klein Matterhorn. Hier wurden jeweils 24 Single-Mode Glasfasern in den Kern des Seils eingearbeitet, welche eine dauerhafte und sichere Datenverbindung zwischen den Stationen ermöglicht.

Zugseile hingegen bestehen aus verseilten Litzen und können zu einem Endlos-Seil gespleisst werden. Das Zugseil der neuen 3S Bahn ist ein 6x36 Warrington Seale, also ein Seil mit 6 Litzen mit jeweils 36 einzelnen Drähten. Warrington-Seale bezeichnet Seile mit einer Drahteinlage, zwei Lagen dünnerer Drähte und einer Lage dickerer Drähte. Die Gesamtlänge des Seils beträgt 8120 Meter und es hat ein Gewicht von knapp 8.3 kg pro Meter.

Drahtseile von Fatzer: jedes Seil ein Unikat
1836 im schweizerischen Romanshorn als Seilerei gegründet, produziert die Firma FATZER seit Generationen Seile höchster Qualitätsstufe. Zunächst wurden Hanfseile für die Landwirtschaft, Fischerei und Schifffahrt gefertigt. Um 1900 begann zusätzlich die Herstellung von Stahldrahtseilen. Heute ist FATZER ausgerichtet auf die Entwicklung, Herstellung und den weltweiten Vertrieb von technisch anspruchsvollen Seilen für Seilbahnen, Winden, Seilbauwerken und anderen Anwendungen und nimmt durch langjähriges Engagement und konsequente Konzentration auf den Markt eine führende Rolle unter den Seilherstellern ein.
Die rationelle Fertigung von Spezialseilen bedarf ausgeklügelter technischer Einrichtungen. FATZER verfügt über einen leistungsfähigen Maschinenpark zur Herstellung von Litzenseilen und Spiralseilen. Die kontinuierlich angepassten Produktionseinrichtungen ermöglichen es, jederzeit nach spezifischen Kundenwünschen oder Normen zu produzieren. Während des Produktionsprozesses werden Parameter wie Durchmesser und Schlaglänge mit modernsten Mitteln laufend überwacht. Zur Qualitätskontrolle der Rohmaterialien und des Endproduktes werden moderne Untersuchungsgeräte zur Biege-, Torsions- und Zugprüfung eingesetzt.

Testseilbahn
Der Seilbahnmarkt verlangt nach immer leistungsfähigeren und gleichzeitig ruhiger laufenden Systemen. Dies erfordert konsequente Weiter- und Neuentwicklungen, die sich dabei zunächst in praxisnahen Versuch bewähren müssen, bevor Feldtests durchgeführt werden können. Entsprechend unverzichtbar sind deshalb Versuche auf der eigenen Testanlage. Unter realitätsnahen Bedingungen lassen sich hierbei die Auswirkungen von Geschwindigkeit, Bremskraft, Seilzug, Scheiben- und Seildurchmesser auf die Lebensdauer und den Verschleiß der Seile analysieren. In Langzeitversuchen wird das Ermüdungsfestigkeitsverhalten von gespleißten Litzenseilen sowie des Spleißes unter erzwungener Biegung und Schwellzug ermittelt.